Bogendorf(f) in der Oberlausitz
Bogendorf i.d.
Oberlausitz (heute polnisch "Lukow")
Bogendorf(f),
Gemeinde
Triebel, Landkreis Rothenburg a. d. Neisse, Oberlausitz, bis 1815
Königreich Sachsen, 01. Januar 1816 bis 1945 Provinz Niederschlesien
(Königreich/Freistaat Preussen). 198 Einwohner (Volkszählung 1939),
Amtsgericht Bad Muskau, Landgericht Görlitz, Oberlandesgericht Breslau,
Finanzamt Rothenburg, Post Zibelle, 88,6% evangelisch, 6,8% katholisch,
seit 1945 polnisch “Lukow”
Landkreis
Rothenburg a. d. Neisse
(1939), Freistaat Preussen, Provinz Schlesien, Regierungsbezirk
Liegnitz, evangelische Kirche der altpreussischen Union, kath. Bistum
Breslau. 92.402 Einwohner (1939), nach 1945 ca. 80% des Kreisgebietes
diesseits der Neisse (wieder) an Sachsen (Niederschlesischer
Oberlausitzkreis), ca. 20% des Kreisgebietes jenseits der Neisse an
Polen (darunter auch die Ortschaft Bogendorf).
Nach dem “Wiener Kongress” (1815) musste Sachsen einen Teil der
Oberlausitz an Preussen abtreten, darunter auch den Landkrs. Rothenburg
a.d.N.. Bereits 1821 wurde Bogendorf als Standesherrschaft (adliges
Dorf) und als Rittergut amtlich erfasst und im “Topographis-Statistisch-Geographisches
Wörtbuch des Preussischen Staates” registriert (download hier)
Wappen des Marfkgrafen der Oberlausitz
Erinnerung
eines 7jährigen Kindes
aus dem Jahre 1945 währed der Flucht
(aufgezeichnet
1983 im Alter von 45 Jahren)
Quelle: http://www.migrationsroute.nrw.de/dokument.php?id=8
Bogendorf
ist ein kleines Dörfchen. Es liegt ca. 10 km östlich der Neiße.
Außer 30 Häusern gibt es ein Gasthaus mit Gemischtwarenladen, einen
Gutshof mit Schloss, ein Spritzenhaus und einen Dorfplatz. Auf diesem
steht eine große, alte Linde und eine neue Litfaßsäule. Daran
klebt ein Bild vom “Kohlenklau”. Das ist ein schwarzer Mann mit
einem großen Sack auf dem Rücken. Das Plakat mahnt zum
Energiesparen. Schule, Kirche und weitere Geschäfte gibt es im 2 km
entfernten Zibelle.
Kindheitstrauma
aus Bogendorf i.d. Oberlausitz (um 1945)
Es
ist Januar 1945. In unserem Dorf wohnen nur Frauen, Kinder und alte
Leute. Die Männer sind im Krieg. Wir sind eine große Familie, da
außer Mutti, meinem Bruder und mir auch noch Oma, zwei Tanten und
Vetter und Kusine bei uns wohnen. Die Stimmung ist seltsam ernst.
Wenn die Dämmerung eintritt, stehen alle vor der Haustür. Wir
schauen zum östlichen Himmel, der jeden Abend roter wird und hören
das Donnern der Kanonen, das immer lauter wird. Die Front kommt
näher. Anfang Februar erhält der Ortsgruppenleiter den Befehl, das
Dorf zu evakuieren. Mutti gräbt im Garten ein tiefes Loch und
versenkt in einer Truhe unseren Hausrat. Die Pferdewagen werden mit
Planen bespannt und mit dem Nötigsten beladen. Alles, was man nicht
unbedingt braucht, bleibt zurück. Dazu gehört das Vieh, das man
sich selbst überlassen muss. Viele lassen auch ihre alten Eltern
zurück. Meistens, weil diese es wünschen.
Nun
sind wir ein Flüchtlingstreck und ziehen in Richtung Dresden. Die
Stadt gilt als kriegssicher. Hier gibt es keine Rüstungsindustrie.
Deshalb wurde sicher über Dresden bisher nie eine Bombe abgeworfen.
Die Stadt ist vollgestopft mit Flüchtlingen. Wir werden nicht mehr
aufgenommen und ziehen weiter. In Hirschfeld, einem Dorf nordwestlich
von Dresden, finden wir Unterkunft. Hier ist die Welt noch heil. Wir
Kinder gehen zur Schule und sonntags ins Wehrmachtskino. Da wird am
Nachmittag immer ein Märchenfilm gespielt. Die Front wird an der
Neiße aufgehalten. Die Nachrichten berichten von heftigen Kämpfen
an der Neiße und einem schweren Bombenangriff auf Dresden. In
Hirschfeld wird es Frühling. Die Bäume blühen und Ostern kommt
näher. Bald ist der 20. April, Hitlers Geburtstag. Wie werden wir
ihn feiern?
Gar
nicht! Mit einem Schlag ist die Ruhe vorbei. Von allen Seiten
strömen
Flüchtlinge ins Dorf. Straßen und Häuser sind überfüllt. Die
Russen haben die Neiße überquert. Angst und Schrecken herrscht bei
den Menschen. Sollen wir weiter flüchten? Die Russen würden uns
schnell einholen. Also bleiben wir. Am späten Abend schaut Mutti aus
dem Fenster. Sie sieht einen Reiter ins Dorf galoppieren. Vor dem
Kriegerdenkmal zieht er die Zügel an und ruft: “Hurraa!” Der
erste Russe! Wir Kinder werden aus dem Bett geholt und angezogen. Im
Haus wimmelt es von Menschen. Wir werden in Nachbars Küche gebracht.
Hier sind so viele Leute, daß wir nur einen Sitzplatz auf dem
Fußboden bekommen. Draußen ist ein schrecklicher Lärm, ein Donnern
und Schreien. Gegen Morgen geht die Tür auf, und da steht ein Soldat
mit mongolischem Aussehen. Er betrachtet uns eine Weile und geht
wieder. Als es hell wird, ist es draußen ganz still. Wir verlassen
die Küche. Kein Russe ist zu sehen. Sie sind alle weiter gestürmt.
Jeder will der erste in Berlin sein. Statt der Russen ist plötzlich
die “SS” da. Ich weiß nicht, was sie anrichten, ich bin ja erst
sieben Jahre. Ich weiß nur, die Erwachsenen sind entsetzt.
ehemalige
Rittergut in Bogendorf
(Foto 2004)
Am
nächsten Tag kommt die Nachhut der Russen. Sie richten eine
Kommandantur ein und gehen von Haus zu Haus, um die Bevölkerung zu
zählen. Sie geben auch bekannt: “Um 20.00 Uhr haben sich alle
Erwachsenen im 2 km entfernten Nachbarort zu versammeln. Kinder unter
zehn Jahren und gehbehinderte alte Leute sollen in ihren Häusern
bleiben.” Gegen Abend wandert ein langer Zug Menschen ins
Nachbardorf. Als die letzten außer Sicht sind, gehen in Hirschfeld
die ersten Häuser in Flammen auf. Wir haben schreckliche Angst, daß
das ganze Dorf eingeäschert würde. Deshalb nehmen wir unser
Bettzeug und übernachten auf einem Apfelhof. Den versammelten
Hirschfeldern erzählt man, daß die “SS” am Vortag in Hirschfeld
elf Ausländer (Fremdarbeiter) grausam hingerichtet habe. Dafür
werden im Ort elf Häuser abgebrannt mit allem, was sich darin
befindet. Das Haus, in dem wir wohnen, bleibt zum Glück verschont.
Die
nächsten zwei oder drei Wochen hocke ich mit ca. 50 Personen in
einem finsteren Kartoffelkeller. Danach bin ich nachtblind, und es
dauert einige Zeit, bis ich mich wieder an das Tageslicht gewöhnt
habe. Schon kommt wieder ein russischer Befehl, Hirschfeld muss in
einer halben Stunde von allen Bewohnern geräumt sein. Hastig werden
die Wagen beladen. Wer dem Befehl nicht folgt, wird erschossen. Wir
beschließen, nach Hause zu fahren. Schlimmer kann es in Bogendorf
auch nicht sein.
Das ehemalige Zeughaus mit der Inschrift "Hugo Säckhoff"
(Foto 2004)
Alle
Orte, die wir durchfahren, sind öd und leer. Die Häuser sind
zerstört oder schwer beschädigt. Es riecht nach Moder und Aas.
überall liegt verendetes Vieh. Viele Menschen ziehen hin und her.
Keiner kann genau sagen, wo er hin will. Jemand sagt uns unterwegs,
der Krieg sei aus. Frieden hab ich mir eigentlich schöner
vorgestellt. Endlich erreichen wir Bogendorf. Es sind nur
wenige Häuser abgebrannt. Auch unser Haus steht noch, aber es ist
sehr verschmutzt und verwüstet. Da höchstens die Hälfte der
Bewohner zurückgekehrt ist, stehen viele Gebäude leer. Wir suchen
uns hier Hausrat und Möbel. Zum Teil sind es unsere eigenen Sachen,
die überall verteilt waren. So richten wir unsere Wohnung ein. Die
vergrabene Truhe ist aufgebrochen und leer. Als Nahrung finden wir
Kartoffeln und einen Sack Salz. Mehl ist so knapp, dass wir nur eine
Schnitte Brot am Tag bekommen.
Wappen der
ehemaligen Landgemeinde Triebel
(mit Bogendorff als Teilgemeinde)
Der
16. Mai ist ein herrlicher Sonnentag. Ich habe Geburtstag und werde
acht Jahre. Mutti hat noch ein Tütchen Eipulver, und zur Feier des
Tages bekommt jedes Kind einen halben Pfannekuchen. Im Westen
Deutschlands ist eine wichtige Konferenz. Das Deutsche Reich wird neu
aufgeteilt. Über das Gebiet zwischen Oder und Neiße kann man sich
nicht einig werden. Soll es zu Deutschland oder zu Polen gehören? So
leben wir im Niemandsland. Abgeschnitten von der Zivilisation. Wir
ernähren uns von Beeren, Pilzen und Gartenfrüchten. In der Scheune
des Gutshofes lagert eine Menge Flachs. Daraus wird Leinöl gepresst.
Als das Korn reif ist (die Felder sind ja im Vorjahr bestellt
worden), wird es von den Frauen mit Sicheln gemäht und mit Flegeln
gedroschen. Die Körner mahlen sie in einer Schrotmühle. Nun haben
wir wieder Brot. Mutti backt einmal in der Woche in einem alten
Backhaus für das ganze Dorf. Oma findet ein Buch über Heilkräuter
und einen Kalender aus dem Jahre 1934, dessen Daten zufällig auch
1945 stimmen. Wir trinken Tee aus Pfefferminze und
kochen Rübenkraut
aus Runkeln. Die Neiße ist eine Grenze. Doch es kommt immer wieder
vor, dass jemand heimlich nachts hindurchwatet. (Die Neiße ist
seichter als die Ruhr bei Meschede). Auf diese Weise bekommen wir
auch Nachricht von Papa. Er ist in amerikanischer Gefangenschaft und
soll bald entlassen werde. Da unsere Zukunft ungewiss ist, lässt ihn
Mutti wissen, er soll erst mal bei seiner Schwester jenseits der
Neiße bleiben.
Der
Sommer vergeht und der Herbst. Der Winter steht vor der Tür. Und
plötzlich auch eine polnische Familie. Sie weisen sich aus als die
neuen Besitzer unseres Hauses. Wir sind enteignet. Bogendorf
steht nun unter polnischer Verwaltung. Die deutschen Bewohner erkennt
man an den weißen Armbinden, die wir jetzt tragen müssen. Ein
halbes Jahr leben wir mit den Polen zusammen. Im Frühsommer 1946
werden alle Deutschen gezählt. Auch Besitz- und
Vermögensverhältnisse werden genau registriert. Am 1. Juli regnet
es. Wir können keine Waldbeeren suchen und sind alle im Haus. Da
kommt der Bescheid, dass das Dorf in einer halben Stunden von allen
Deutschen geräumt sein muss. Es darf nur Handgepäck mitgenommen
werden. Mutti erlaubt mir meine Lieblingspuppe. Doch ein Pole nimmt
sie mir weg. Auf dem Dorfplatz werden alle Namen einzeln aufgerufen.
Dann kommt ein langer Fußmarsch. Vielen wird ihr Gepäck zu schwer,
und sie müssen es wegwerfen.
Standort der
ehemaligen ev.-lutherischen Kirche
In
Sorau stehen wir stundenlang im Regen und wissen nicht weiter. Am
späten Abend erlaubt man uns, im Saal eines Gasthofes zu
übernachten. Am nächsten Morgen werden wir auf einen Güterzug
geladen. Der Zug hat 46 Waggons und in jeden Waggon kommen 50
Personen. Als der Zug abfährt, weiß niemand, wo es hingeht. Beim
überqueren der Neiße merken wir, wir fahren nach Westen. Die Reise
dauert zwei Wochen. Die Verpflegung ist schlecht. Zum Glück hatte
Mutti einen Tag vor der Vertreibung Brot gebacken. Wir haben alle
Brote mitgenommen. An freien, einsamen Stellen hält der Zug. Hier
können die Reisenden ihre Notdurft verrichten. Endstation ist für
uns Siegen.
Wir
werden einige Tage in der Kaserne untergebracht. Als Verpflegung gibt
es Bismarckheringe. Kein Brot, keine Kartoffeln, nur die sauren
Heringe. Grausam! Die Menschen in der Kaserne werden auf die ganze
Gegend verteilt. Wir sollen nach Meschede. Am Samstag fahren wir los.
In Meschede erwartet uns ein Barackenlager auf den Ruhrwiesen. Hier
verbringen wir eine Nacht und werden am Sonntag mit einem Lastauto
nach Eversberg gefahren. Jeder Eversberger lädt einen Flüchtling
zum Sonntagessen ein. Anschließend verteilt man uns auf die freien
Zimmer, die es im Ort gibt. Mutti ist glücklich. Wir wohnen in einem
richtigen Haus bei “anständigen Leuten” und brauchen nicht in
einem Barackenlager hausen. Doch wir sind sehr arm, und nach jedem
Kochlöffel und Blechteller muss man stundenlang anstehen.
Der
Westen ist gar nicht so golden, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Die
Städte liegen in Schutt und Asche. Die Bewohner leben in
Behelfsheimen. Dazu kommen die vielen Flüchtlinge und Heimat-
vertriebenen aus dem Osten. Die Wohnungsnot ist groß. Wir haben ein
Zimmer, in dem wir wohnen, kochen und schlafen. Das Fenster ist mit
Brettern vernagelt, denn das Haus wurde Ende des Krieges beschossen.
Dem Hausbesitzer gelingt es bald, eine neue Scheibe zu bekommen. Er
gibt oder besorgt uns auch Möbel und hilft uns, in der neuen Welt
zurechtzukommen. Denn es ist eine neue Welt. Ich merke das am besten
in der Schule. Der Anschluss fällt mir schwer. Mir fehlt doch
allerhand. Die Lehrer sind entnazifiziert. Das heißt, sie haben
unter Aufsicht der Besatzungsmacht einen Kursus absolviert, und nun
können sie sich überhaupt nicht mehr an einen Mann namens Hitler
erinnern.
Das
Dritte Reich ist tabu. Statt des Führerbildes hängt
ein großes Kruzifix an der Wand. Wir grüßen nicht mehr: “Heil
Hitler , Herr Lehrer!” Jetzt sagen wir: “Gelobt sei Jesus
Christus!” Religion ist Trumpf. Die Frauenschaft heißt
Frauenhilfe. Das Winterhilfswerk heißt evangelisches Hilfswerk. Das
Arbeitsdienstlager ist ein kirchliches Freizeitlager (heute
Matthias-Claudius-Heim). Papier ist sehr knapp. Wir schreiben auf die
Schiefertafel. Schiefer gibt es ja im Sauerland. Zum
Arbeitenschreiben werden einzelne Zettel verteilt und etwas Tinte in
die Fäßchen gegossen, die in die Schultische eingelassen sind. Wir
haben einen Federhalter, den wir nach jedem zweiten Buchstaben
eintauchen. In der großen Pause gibt es Schulspeise. Das ist eine
Milch-, Erbsenmehl- oder Nudelsuppe. Das Essen wird in der Metzgerei
gekocht. Die Zutaten kommen in “Care-Paketen” aus Amerika.
Nach
der Schule gehe ich nach Milch anstehen. Das dauert jeden Tag zwei
Stunden. Mutti steht nach Fleisch, Wurst und Gemüse an. Manchmal
fahren wir nach Meschede. Wir gehen zu Fuß zum Bahnhof in Wehrstapel
und nehmen dann den Zug. Die Fahrt kostet 30 Pfennig für Erwachsene,
Kinderzahlen die Hälfte. Der Bahnhof in Meschede ist ein
Behelfsheim. Die Stadt ist ein einziger Schutthaufen. Es gibt einige
Geschäfte. Sie befinden sich in versteckten Kellerräumen. Man
erkennt sie an den Menschenschlangen, die sich an der Tür aufreihen.
Holz- und Blechgeschirr gibt es frei zu kaufen. Kleidung wird nur auf
Bezugschein abgegeben. Porzellan bekommt man gar nicht.
Papa
ist bei seiner Schwester in der Ostzone (SBZ/DDR). Im Sommer 1947
kommt er auch zu uns nach Eversberg. Nun sind wir wieder eine
richtige Familie. Papa ist gelernter Maurer. Er findet auch gleich
eine Arbeitsstelle. Doch das Geld ist nicht viel wert. Er bringt
seinen Lohn mal im Rucksack und mal im Handwagen nach Hause. Das
heißt, Papa arbeitet für Kohle, Lebensmittel usw.
Im
Oktober gehen wir jeden Tag in den Wald und sammeln Bucheckern. Im
Kornhaus Bestwig bekommt man dafür Speiseöl. Auf der Mittelstraße
wohnt ein Schäfer. Er beliefert den Ort mit Wolle. Wer noch ein
altes Spinnrad auf dem Boden hat, holt es herbei. Mutti und ich
lernen auch spinnen. Bei der Firma Busch in Wehrstapel erfindet
jemand ein Spinn- rad aus Metall, das man auf das Untergestell der
Nähmaschine schrau- ben kann. Überall wird gesponnen und gestrickt.
Alle tragen weiße Schafwollpullover und Strümpfe. In Eversberg
bleiben wir von der großen Hungerwelle der Nachkriegszeit verschont.
In den Städten muss das Leben sehr hart gewesen sein. Wir sehen das
an den überfüllten “Hamsterzügen”, die durch das Ruhrtal
rollen.
1947
darf wieder Schützenfest gefeiert werden. Doch Uniform und
Marschmusik sind noch verboten. Die Schützen trotten wie eine
Touristengruppe durch die Straßen. Waffen sind auch verboten. Der
Vogel wird mit Holzscheiten abgeworfen. 1948 darf mit der Armbrust
geschossen werden. Bier fließt reichlich. Es ist sehr dünn, aber es
kostet keine Lebensmittelmarken. Viele gehen mit der Kanne ins
Gasthaus und holen sich Bier nach Hause. Flaschenbier gibt es nicht.
Da das Sauerland nahe am Ruhrgebiet liegt, bekommen wir auch bald
wieder Koks für die Schulheizung. Der große, eiserne Ofen
verschwindet aus dem Klassenzimmer. Im Keller der Schule befinden
sich zehn Duschkabinen. Schüler, die zu Hause kein Badezimmer haben,
kommen am Samstag mit Handtuch und Seife zur Schule und gehen
gruppenweise zum Duschen. So wird am Wochenende das warme Wasser
verwertet.
Im
Frühjahr 1948 erzählt man sich, unser Geld wird ungültig. Bald
kommt der Tag der Währungsreform. Die “DM” wird eingeführt. Man
braucht kein Altpapier mehr mitzunehmen, wenn man ein Schulheft kauft
und keine Tüte für den Zucker. Es geht aufwärts."
Quelle:
www.migrationsroute.nrw.de/dokument.php?id=8
|